Heinrich Schickhardt, Baumeister der Renaissance: Reisetagebücher

Die Italienreise (November 1599 bis Mai 1600)

Einleitung

Nicht nur im Herzogtum Württemberg sind die Jahrzehnte vor dem Dreißigjährigen Krieg geprägt von internationalem Kulturaustausch. Fürsten, Wissenschaftler und Künstler dachten in einem europäischen Rahmen. Begünstigt wurde das Schaffen eines internationalen Netzwerks aus Handel, Wissen, Kunst und Kultur durch Jahrzehnte langen Frieden, der (sichere Wege …) Transport und Reisen erst ermöglichte (begünstigte), und zudem durch eine milde Klimaperiode, welche die Landwirtschaft begünstigte und so für Wohlstand und Zufriedenheit sorgte. Das Ergebnis dieser Zeit sind wissenschaftliche Errungenschaften, deren Bedeutung sich bis in die moderne Zeit erstreckt/ bis heute kaum an Bedeutung verloren haben, Bau- und Kunstwerke, welche die Eleganz und Lebensfreude der Renaissance zum Ausdruck bringen.

Das vergleichsweise kleine Herzogtum Württemberg war durch seine linksrheinischen Besitztümer Montbéliard¹, Horburg und Reichenweiher² mit der „großen, weiten Welt“ (Lebensart verstrickt...) verbunden und wurde so durch Politik, Kultur und die französischen Lebensart beeinflusst.

Kaum ein anderer Herrscher verkörpert die neue Weltoffenheit des 16. Jahrhunderts und das Denken in größeren Perspektiven so wie Herzog Friedrich I. von Württemberg³. Durch weite Reisen hatte er viel gesehen und erlebt und war bereit, auch gegen die Widerstände der heimischen Landstände neue Entwicklungen in Kunst und Kultur zu fördern. Während seiner Regierungszeit zählte der Stuttgarter Hof zu einem der führenden Fürstenhöfe Europas.

Dem Herzog stand der Baumeister Heinrich Schickhardt zur Seite, der seinerseits von der kosmopolitischen Ausrichtung seines Auftraggebers profitierte. Er begleitete Friedrich auf weite Reisen und errichtete für ihn Bauwerke in Württemberg selbst und in den Residenzen links des Rheins.

Eine der bedeutsamsten Reisen, die von Schickhardt selbst detailliert in Wort und Bild dokumentiert wurde, stellt die Italienreise der Jahre 1599 und 1600 dar. Eingeordnet in die Gepflogenheiten der Zeit um 1600 lassen Schickhardts Reiseaufzeichnungen Rückschlüsse zu auf die Wirkung, welche die Reise bei ihm hinterließ, sowie deren Konsequenzen für die kulturelle Entwicklung Württembergs, die hier unter anderem im folgenden untersucht werden sollen.

Der württembergische Landesbaumeister Heinrich Schickhardt (1558-1635) studierte als einer der ersten deutschen Architekten die stilbildenden Werke seiner Zeit vor Ort in Italien und Frankreich. In der Landesbibliothek Stuttgart werden vier Reisetagebücher aufbewahrt, die unter anderem die Eindrücke seiner Fahrten nach Oberitalien 1598 und bis nach Rom 1599/1600 wiedergeben und eine wichtige, zeitgenössische Quelle für das italienische Kunstschaffen der Renaissance und des Frühbarock darstellen.

Die mit Skizzen illustrierten Aufzeichnungen zu Kirchen, Palästen, Gärten und technischen Vorrichtungen spiegeln das vielseitige Interesse des Baumeisters besonders an zeitgenössischer Architektur, aber auch an Naturdenkmälern, Archäologie oder Politik seiner Zeit wider.

„Verbesserungen“ in den Zeichnungen und schriftliche Anmerkungen Schickhardts erlauben Rückschlüsse auf seine eigene Architekturästhetik und sein ingenieurtechnisches Verständnis.

Schickhardts Reiseaufzeichnungen wurden in der Vergangenheit und werden bis heute oftmals als Beleg herangezogen, wenn es gilt, den ursprünglichen Zustand eines Bauwerks oder Gartens in Italien zu dokumentieren oder die Rezeptionsgeschichte eines Kunstdenkmales aufzuzeigen.

‍¹ Die erste urkundliche Erwähnung der Stadt ist datiert auf das Jahr 985 als „Mons Biliardi“ bzw. „Mons Biliardae“. So zu lesen bei Gerhard Köbler in: „Historisches Lexikon der deutschen Länder“. Durch das von seinem Vater Graf Eberhard III. abgegebene Eheversprechen des späteren Grafen Eberhard IV.(1415–1417) mit Gräfin Henriette von Mömpelgard (Montfaucon) kam Montbéliard 1397 an das Haus Württemberg. Der verballhornte deutsche Name taucht erstmals 1464 als Mümppellgart auf (1495 Mümpelgart, 1603 Mömpelgart).
² Reichenweier (heute Riquewihr): Im 6. Jahrhundert gründete ein Franke namens Richo ein Landgut namens Richovilla, aus dem sich der Ort entwickelte. 1320 erhielt Riquewihr, damals im Besitz der Grafen von Horburg, die Stadtrechte. 1324 wurde die Stadt an das Haus Württemberg verkauft. Von diesem Zeitpunkt an gehörte sie zu Württemberg. 1793 wurde die Stadt französisch und zählt heute wegen ihres beinahe unverändert überkommenen Kerns des 16. Jahrhunderts zu den schönsten Frankreichs.
³ Herzog Friedrich I. von Württemberg (geb. 19. August 1557 in Mömpelgard, gest. 29. Januar 1608 in Stuttgart) war der Sohn des Grafen Georg I. von Württemberg-Mömpelgard (1498-1558) und Barbara von Hessen (1536-1597).