Die Architektur der Kelten

Siedlungsstrukturen, Bauformen und Konstruktionsprinzipien der mitteleuropäischen Eisenzeit

Exemplarische Untersuchung von Bebauungsstrukturen und Herleitung möglicher
Konstruktionsformen der Holzbauten im Altenfeld des Oppidums von Manching.

/ 01

Die vor- und frühgeschichtliche Architektur Mitteleuropas

Seit rund 7.000 Jahren dominiert in unseren nordalpinen Breiten vielerorts die Holzbauweise. Einen Höhepunkt erreichte sie insbesondere während der letzten Jahrhunderte vor der Zeitenwende, der Latènezeit. Dabei stand die keltische Handwerkskunst nicht nur im Bauwesen, sondern im gesamten kunsthandwerklichen Bereich der römischen in keinster Weise nach. Im Gegensatz zur Großmacht Rom führte jedoch insbesondere der fehlende Imperialismus der keltischen Volksgruppen zu einem Verdrängen und Vergessen ihrer großartigen Leistungen. Erst während der letzten Jahrzehnte konnten archäologische Forschungen in Ansätzen ein Bild des vorrömischen Europa zeichnen.

/ 02

Während des 2. Jh. v. Chr. bildete sich in Mitteleuropa ein neues Gesellschaftssystem mit komplexen Organisationsformen von Produktion, Handel, Politik und Militär. Großdimensionierte, befestigte Siedlungen (Oppida), deren städtischer Charakter in seiner umfassenden Bedeutung heute als unstrittig gilt, entstanden über weite Teile Frankreichs, Süddeutschlands und Böhmens. Im allgemeinen Bewusstsein konnte sich das Bild einer Hochkultur im vorrömischen Europa mit blühenden Handelsmetropolen bis heute nicht festigen. Viele Rekonstruktionsvorschläge keltischer Gebäude und Siedlungsausschnitte zeigen dies anschaulich einerseits anhand eines zum Teil starken Primitivismus der Architektur und deren handwerklicher Ausführung, andererseits anhand der vorgeschlagenen Konstruktionsweisen, die stets vom einfachsten Prinzip des Pfostenbaus ausgehen.

Dieser Beitrag zeigt zum einen unter Zugrundelegung von Kenntnissen des historischen Holzbaus sowie durch Analogien aus der historischen Bauforschung, dass die bisherige Darstellung eisenzeitlicher Bauweisen der Vielfalt und dem Variantenreichtum einer keltischen Architektur weder in Form und Konstruktion noch in Farbe und Ornamentik gerecht werden kann. Architektursoziologische Fragestellungen eignen sich dazu, architektonische Auswirkungen der sozial- und wirtschaftsstrukturellen Veränderungen während der späten Latènezeit zu diskutieren.

Exemplarisch wird an Ausschnitten des Oppidums von Manching gezeigt, dass der Blick durch „die Brille“ des Architekten und Bauhistorikers mitunter zu andersartigen Ergebnissen hinsichtlich der Bebauungsstruktur im Großen wie auch der Konstruktionsformen einzelner Gebäude im Kleinen führt. Hierbei spielen die Vorgehensweise bei der Suche nach zusammenhängenden Bebauungsspuren ebenso eine Rolle wie Gedanken zum Bauablauf, zu Detaillösungen des historischen Holzbaus, zu Materialeigenschaften oder zur Kontinuität der Holzbauweise in vielen ländlichen Regionen bis ins 19. Jh.

Publikationen

Die Architektur der Kelten.

Siedlungsmuster, Bauformen und Konstruktionsprinzipien der Eisenzeit.

[Stuttgart 2019]

Manching-Altenfeld

Überlegungen zu Bauformen, Konstruktionsprinzipien und Materialien.

[In R. Karl, J. Leskovar [Hrsg.] (2019), Interpretierte Eisenzeiten. Fallstudien, Methoden,Theorie.Tagungsbeiträge der 8. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie. Studien zur Kulturgeschichte von Oberösterreich, Folge 49, Linz, 89–100.]